
Wer in den letzten Jahren Kinder bekommen oder sich mit Babynamen beschäftigt hat, wird es vielleicht schon selbst bemerkt haben: Die beliebtesten Vornamen sind sich in ihrer Form aktuell erstaunlich ähnlich! So sind bei den Mädchen Namen wie Emilia, Emma, Ella, Mia, Mila, Lia oder Lina sehr präsent. Und auch bei den Jungen zeigen sich auffällige Parallelen, man vergleiche etwa Leon, Luis, Luca, Liam, Emil und Elias – allesamt Namen mit einem weichen, melodischen Klang.
Was hier zunächst wie ein modischer Zufall wirkt, lässt sich tatsächlich auch statistisch belegen. Eine detaillierte Analyse der 100 beliebtesten Erst- und Folgenamen des Jahrgangs 2023 – ermittelt von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) – zeigt: Bestimmte Laute und Strukturen sind überproportional häufig vertreten.
Der Anlaut und das Buchstabeninventar: L, M und helle Vokale dominieren
Ein Blick auf den Anfangsbuchstaben der populärsten Namen zeigt: Bei den Mädchen beginnt über die Hälfte der vergebenen Erstnamen in den Top 100 mit einem L, M oder E, gefolgt von A und S. Ähnlich sieht es bei den Jungennamen aus – auch hier führen L und M das Feld an, es folgen J, A und E. Die Höchstplatzierten in den Listen: Lina, Mia, Emilia, Amelie und Sophia sowie Leon, Matteo, Jakob, Anton und Emil.
Dabei fällt auf: Diese Buchstaben stehen nicht nur bei vielen Vornamen am Anfang, sie kommen in den Topnamen auch häufig im Namensinnern vor und prägen dadurch den Klang – dies ist aktuell das ausschlaggebende Kriterium, wenn es um die Beliebtheit von Vornamen geht. L, M und J gehören zu den sogenannten Sonoranten – also Lauten, die besonders weich und melodisch wirken. In Kombination mit hellen Vokalen wie a, e und i – diese werden vorne im Mund produziert und klingen offener und leichter – ergeben sie ein Klangbild, das offenbar den heutigen Schönheitsidealen der Namenswahl entspricht.
Bemerkenswert ist, dass sich dieser Trend auch dann bestätigt, wenn man nicht nur die Top 100, sondern alle vergebenen Erstnamen betrachtet: Auch hier beginnen die Vornamen bei beiden Geschlechtern am häufigsten mit den genannten Buchstaben.
Der Auslaut: Vokale bei Mädchen, Konsonanten bei Jungen
Auch das Namensende zeigt klare Muster – und hier scheinen sich viele alte Annahmen zu bestätigen: Über 98 % der beliebtesten 100 Mädchen-Erstnamen enden auf einen Vokal, dabei in überragender Mehrheit auf -a oder –ia – so etwa die gesamte Top Ten: Sophia, Emilia, Emma, Mia … Die übrigen Namen mit Vokal-Endung haben ein -e (Charlotte, Neele, Zoe) oder ein -i(e) bzw. -y im Auslaut (Leni, Marie, Leony), nur ein Name unter den Top 100 endet auf -o (Cleo).
Bei den Jungennamen ist es genau umgekehrt: Über drei Viertel der Namen in den Top 100 enden auf einen Konsonanten, dabei überwiegen wiederum die Sonoranten, hier l, m und n. Namen wie Leon, Paul, Emil, Liam sind hier typische Vertreter in den Top Ten. Nur knapp ein Viertel der Jungennamen in den Top 100 hat einen vokalischen Ausklang, meistens auf –o (Matteo, Theo, Leo) – selbst wenn sich mit Noa(h) und Luca in den Top Ten gleich zwei Namen auf –a finden sowie einer auf -i bzw. -y (Henry).
Auch bei den Folgenamen – also alle Namen, die nicht an erster Stelle vergeben werden – bleibt diese Verteilung erkennbar, wenngleich etwas abgeschwächt. Mädchennamen enden ebenso meist auf einen Vokal, bei den Jungen gewinnen konsonantische Endungen sogar noch an Bedeutung – und dabei insbesondere solche, die keine Sonoranten sind (z. B. Alexander, Elias, Josef). Das ist ein Hinweis darauf, dass der Klang am Namensende bei Jungennamen offenbar eine etwas geringere Rolle spielt als bei Mädchennamen.
Die Silbenzahl: Kürzer ist angesagt
Ein weiteres interessantes Merkmal ist die Silbenanzahl. Die Analyse zeigt: Zweisilbige und somit eher kurze Namen sind mit Abstand am beliebtesten – bei Mädchen wie Jungen. Rund 60 % der Mädchennamen fallen in diese Kategorie, etwa Mira, Frieda, Maja, bei den Jungennamen ist der Anteil noch etwas größer, Beispiele sind Felix, Oskar oder Jonas.
Längere Namen sind gerade bei den Mädchen stärker vertreten: Fast 40 % der Top-Erstnamen bestehen aus drei oder vier Silben – etwa Paulina, Valentina oder Helene. Einsilbige Namen sind bei Mädchen hingegen eine Seltenheit: Unter den Top 100 findet sich einzig der Name Liv.
Bei den Jungen sieht es anders aus: Hier sind einsilbige Namen deutlich präsenter – z. B. Finn, Ben oder Max. Längere Namen wie Alexander, Maximilian oder Raphael kommen zwar unter den Top 100 vor, gerade solche mit mehr als drei Silben sind jedoch eher die Ausnahme.
Bei den Folgenamen ist hingegen ein Trend zu etwas längeren Namen spürbar, insbesondere bei Mädchen (etwa Elisabeth, Katharina, Anastasia). Hier zeigt sich eine interessante Wechselwirkung zwischen moderner Kurzform und traditioneller Langform – etwa Lina als Erstname, Theresia als Zweitname: Diese Hintergründe konnte bereits in einer Studie zu den Motiven der Vornamenwahl ermittelt werden. Bei den Jungennamen dominieren nach wie vor zweisilbige Namen (Johann, Anton) vor drei- und einsilbigen Namen (Michael, Johannes; Paul, Karl).
Fazit: Klang ist kein Zufall
Wir stellen fest: Der gegenwärtige Vornamengeschmack folgt einer klanglichen Logik. Helle Vokale, sonore Konsonanten und eine kompakte Form dominieren die Vornamenslandschaft. Dabei gibt es durchaus lautliche Unterschiede zwischen Mädchen- und Jungennamen, die diese klar charakterisieren.
Auffällig ist dabei, dass Jungennamen insgesamt universeller vergeben werden und sie sich vielfach nicht als „klassische“ Erst- oder Folgenamen charakterisieren lassen: Viele von ihnen erfüllen gleichzeitig das Kriterium „modern“ und das Kriterium „traditionell“. Bei den Mädchennamen dagegen fällt der Kontrast zwischen modernen Erstnamen und traditionellen Folgenamen stärker ins Gewicht.
Wer also auf der Suche nach einem schönen Vornamen ist, liegt mit Namen, die helle Vokale und „melodische“ Konsonanten enthalten und dabei recht kurz sind voll im Trend: Sie stehen nicht nur auf den Hitlisten ganz oben, sondern auch hoch im Kurs bei Eltern, die ein gutes Gefühl für Wohlklang haben.
Quelle
Frauke Rüdebusch, Die beliebtesten Vornamen 2023. Von A wie Anton bis Z wie Zoe. In: Der Sprachdienst 4–5/2024.






