Namenswahl: Die Freiheit der Eltern und die Rechte des Kindes

Die Wahl eines Vornamens scheint zunächst ein individuelles und zum Teil sogar emotionales Thema zu sein. Doch sie ist mehr als das: Sie ist ein Ausdruck der Verantwortung – und eine Frage des Respekts gegenüber einem Menschen, der sich dazu (noch) nicht äußern kann. Denn ehe ein Kind auf der Welt ist, treffen Eltern eine Entscheidung, die ihr Kind ein Leben lang begleitet.

Vornamenwahl: Recht, Pflicht – und Verantwortung

Laut deutschem Personenstandsgesetz ist die Vergabe eines Vornamens nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Eltern oder Sorgeberechtigten. Dabei gilt: Der Name darf dem Kindeswohl nicht entgegenstehen. Was jedoch unter „Kindeswohl“ zu verstehen ist, bleibt in Teilen Auslegungssache – und führt immer wieder zu Diskussionen: in den Standesämtern, bei den Eltern und bei Namensexpert(inn)en.

Die meisten Eltern bewegen sich mit ihrer Namenswahl im sicheren Bereich: Unter den jährlich über eine Million vergebenen Vornamen finden sich rund 65.000 verschiedene Namen, von denen etwa zwei Drittel nur einmal pro Jahr vorkommen. Das zeigt: Der Wunsch nach Individualität ist groß. Dennoch gilt nur ein kleiner Teil der Namen tatsächlich als problematisch – und gerade diese Namen verdienen besondere Aufmerksamkeit.

Was macht einen Vornamen respektgebührend?

Ein respektvoll gewählter Vorname achtet das Kind – und stellt es nicht vor unnötige Hürden im späteren Leben. Eltern sollten sich daher bei der Namenswahl ehrlich fragen:

  • Würde ich selbst mit diesem Namen durchs Leben gehen wollen?
  • Kann sich mein Kind später seriös damit vorstellen?
  • Ruft der Name unangemessene Assoziationen hervor?
  • Dient die Wahl wirklich dem Kind – oder auch der Selbstinszenierung?
  • Ist der Name einfach zu schreiben, zu sprechen und zu verstehen?
  • Ist er klar einem Geschlecht zuzuordnen (sofern das gewünscht ist)?
  • Klingt er wie ein Vorname – oder verbindet man damit eher einen Ort, einen Gegenstand oder einen Familiennamen?

Kontext ist alles – Wahrnehmung von Vornamen und ihren Träger(inne)n

Einige Faktoren beeinflussen unsere Wahrnehmung von Vornamen und unseren Blick auf die jeweiligen Namensträger/-innen. So können es Kleinigkeiten sein, die die Wahl eines Vornamens als respektvoll oder als respektlos erscheinen lassen:

  • Ein und derselbe Name kann in unterschiedlichen Kontexten ganz unterschiedlich wirken. Kultureller Hintergrund, soziale Prägung oder Modeerscheinungen spielen eine große Rolle. So kann z. B. ein arabischstämmiges Kind mit dem Namen Torsten ebenso auffallen wie ein blondes Kind mit dem Namen Ahmed.
  • Auch das Alter beeinflusst die Wahrnehmung: Während Namen wie Emil oder Frieda derzeit als frisch und modern gelten, können andere wie Gisela oder Horst als altmodisch abgestempelt werden – und mit ihnen auch die Kinder, die diese Namen tragen.
  • Bestimmte Namen hingegen tragen ein gesellschaftliches Stigma: Beispielsweise wurden Kevin oder Chantal durch Medien und Studien mit sozialer Herkunft verknüpft – ein Problem, das nicht am Kind, sondern an gesellschaftlicher Prägung liegt, aber dennoch Auswirkungen auf das Kind haben kann.
  • Die Form des Namens kann zu Missverständnissen führen. So können ungewöhnliche Schreibweisen wie Biatris (statt Beatrice) im Alltag ständige Erklärungen und Korrekturen nötig machen. Auch fremdsprachige Schreibungen wie Laoghaire (gesprochen „Liery“) oder „dekorative“ Akzente wie in Annabellé bringen Unsicherheiten mit sich.
  • Bei geschlechtsneutralen Namen, etwa Kim, Sascha oder Jules, ist ein zusätzlicher geschlechtsspezifischer Name zu empfehlen, um – auch dem Kind selbst – eine klare Identifikation zu ermöglichen. Das gilt insbesondere bei Namen, die im allgemeinen Sprachgebrauch stark einem bestimmten Geschlecht zugeordnet sind, etwa Kai (meist männlich) oder Simone (meist weiblich), wenn sie für das jeweils andere Geschlecht gewählt werden.

Wann das Kindeswohl wirklich gefährdet ist

Bei aller Freiheit der Namenswahl: Es gibt Vornamen, bei denen die Frage nach dem Kindeswohl nicht nur legitim, sondern dringend zu stellen ist, etwa wenn …

  • berühmte Namensvorbilder mit fragwürdiger Geschichte die Assoziation prägen (z. B. Adolf, Napoleon, Putin);
  • religiöse Tabus berührt werden (z. B. Jesus, Satan, Messias);
  • die Form des Namens Erklärungen oder Buchstabieren nötig macht, etwa bei Namen, die nur aus einem Buchstaben bestehen (z. B. J.), die eine ungewöhnliche Zeichensetzung oder Binnengroßschreibung aufweisen (z. B. Ka’ala, LaJulia);
  • Namen keine Vornamen sind, sondern z. B. Titel (Kaiser), Gegenstände (Puppe), Orte (Chicago) oder Familiennamen (Schröder); oder
  • Nachbenennungen gegen deutsche Regelungen verstoßen (z. B. Patronyme wie Larsen oder Christianson).

Problematische Vornamen: einige Beispiele

Diese Namen sind alle auf ihre Weise problematisch, trotzdem wurden sie bereits vergeben:

  • Altertümlich: Fürchtegott, Schwanhild
  • Assoziationen hervorrufend: Despot, Zorn, Prophet
  • Vorbilder in der (Pop-)Kultur: Rihana, Matahari, Haydn
  • Orte: Gent, Jericho, Vienna
  • Tiernamen: Mausi, Phoenix, Jaguaru
  • Familiennamen: Liebermann, Kunze, Brunner
  • Kurios: Mindeldudu, Louboutini, Fips

Zwischen Freiheit und Fürsorge

Unsere Gesellschaft wird vielfältiger – und mit ihr der Vornamensschatz. Gerichte haben in den letzten Jahren wiederholt Namensvergaben erlaubt, die früher abgelehnt worden wären. Dadurch entstehen neue Spielräume, gerade im Hinblick auf internationale oder durch bestimmte Kulturen geprägte Namen. Gleichzeitig ist Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern – etwa den USA – weiterhin eher zurückhaltend, was die Vornamenwahl betrifft.

Und das ist nicht zwangsläufig schlecht: Denn diese Zurückhaltung dient in vielen Fällen dem Schutz des Kindes. Sie erinnert uns daran, dass ein Name nicht nur gefallen, sondern auch getragen werden soll – im Idealfall ein ganzes Leben lang.

Quelle

Frauke Rüdebusch, Im Namen des Respekts: Möglichkeiten und Grenzen der Vornamenvergabe in Deutschland. In: Der Sprachdienst, 4–5/2023.

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